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Beitrag vom 23.03.2007
Babyklappe und Anonyme Geburt
Clarissa Lempp
Immer wieder werden Kinder ausgesetzt oder getötet. Die Aktion "Babyklappe ... Bevor Babys in die Tonne kommen" möchte durch Aufklärung und Information Mütter in Notlagen erreichen.
Im Januar 2007 wurde der neugeborene Moritz in einem Buswartehäuschen in Zehlendorf aufgefunden. Das Kind hatte Glück und wurde rechtzeitig in eine Klinik gebracht. Warum hatte die Mutter Moritz nicht in einer sicheren Babyklappe abgegeben? Schließlich gibt es allein innerhalb Berlins vier Babyklappen. Kannte sie das Hilfsangebot gar nicht? Auf Antrag der Fraktion der Grünen wurde das Thema in einem Ausschuss behandelt. Dabei äußerten sich BefürworterInnen und KritikerInnen zu der Frage wie und ob überhaupt öffentliche Hinweise auf Babyklappen veranlasst werden dürfen. Denn Hilfsangebote wie die Babyklappe oder eine anonyme Geburt bewegen sich in einer rechtlichen Grauzone.
Gabriele Stangl, Seelsorgerin des Krankenhauses Waldfriede, das im September 2000 die erste Babyklappe in Berlin eröffnete, berichtete, dass sich in sechseinhalb Jahren 77 Frauen gemeldet haben um sich über die Babyklappe zu informieren. Nur Elf von ihnen haben die Babyklappe dann tatsächlich genutzt. Zwar sieht auch Gabriele Stangl Babyklappe und anonyme Geburt als die letzten Lösungen in einer extremen Situation, aber sie wies auch darauf hin, dass die Tabuisierung und der rechtliche Status des Angebots weiterhin Frauen abschrecken könnte. Ursula Künning, von 2001 bis 2003 Koordinatorin des Verbundprojekts Babyklappe von Caritas und Diakonie in Berlin, sieht vor allem eine Notwendigkeit der Rechtssicherheit für das Angebot der anonymen Kindesabgabe. Organisationen wie der Deutsche Juristinnenbund und die Bundesrechtsanwaltskammer stehen dem indessen kritisch gegenüber. Schließlich seien vier Gesetzentwürfe nicht umsonst im Bundesrat gescheitert. Stangl wie auch Künning plädieren deshalb für eine intensive und breite Aufklärungsarbeit über Medien und die zuständigen Behörden. Diese sollen auch stärker präventive Aufklärung unter Einbezug der bestehenden Angebote betreiben.
Die Kriminologin Prof. Dr. Christine Swientek gab zu bedenken, dass nicht nur Frauen in einer Notlage ihre Kinder in Babyklappen aussetzen. Auch Väter und Großeltern seien daran beteiligt. Etwa 30 % aller Frauen, die eine anonyme Geburt vollziehen, würden trotzdem vom Partner oder den Eltern begleitet. Auch die fehlende Möglichkeit der Nachsorge für die Mütter empfindet Swientek als bedenklich. Das größte Problem in der "Bewerbung" des Themas sieht sie aber darin, dass es auch Frauen anspricht, die sich einfach nur überfordert fühlen. Als Beispiel für den Missbrauch der Babyklappe nannte sie Herne. Hier berichtete ein Arzt von 25 anonymen Geburten in den letzten Jahren, obwohl seit 20 Jahren keine Aussetzung oder Tötung bekannt war.
Hans Wall, Geschäftsführer der Wall AG, eines Unternehmens, die Werbeflächen in Berliner Buswartehäuschen unterhält, unterstützt die Aktion "Babyklappe ... Bevor Babys in die Tonne kommen" des Bündnis 90/Die Grünen. Die Plakate mit den Adressen der Babyklappen sowie des Kindernotdienstes in Berlin werden ab 26.3.2006 für eine Woche hängen. Außerdem wird es begleitend dazu eine Informationsveranstaltung geben. Hans Wall hat übrigens eine Patenschaft für Moritz übernommen. Er finanzierte nicht nur die Krankenhauskosten, sondern wird auch zukünftig für seine Ausbildung aufkommen.
Mehr Informationen zur Aktion Babyklappe gibt es im Internet:
www.aktion-babyklappe.de
Eine Informationsveranstaltung zum Thema Babyklappen in Berlin wird voraussichtlich am 30. März 2007 stattfinden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie über:
anja.kofbinger@gruene-fraktion-berlin.de
Informationen zur anonymen Geburt und Standorte von Babyklappen im gesamten Bundesgebiet finden Sie hier im Internet.
Ein Notruftelefon für Schwangere und Mütter mit Neugeborenen in Not erreichen Sie kostenlos rund um die Uhr unter der Nummer: 0800 456 0 789
Kritische Stimmen:
Stellungnahme des Juristinnenverbands
Positionspapier von Terre des Hommes